Trennungen sind traurig, bieten aber neue Möglichkeiten: Was man zum Wohl der Kinder beachten sollte und wie man als Patchwork Familie glücklich werden kann.
Patchwork: Familie bricht, weil Beziehung sticht
Manchmal geht es nicht anders, heißt es. Es geht einfach nicht mehr weiter. Doch: Was tun? Gerade wegen der Kinder? So eine Trennung würde sie doch ein Leben lang traumatisieren. Und: Mein Kind, ein Scheidungskind? Ich habe versagt!
Ja, diese Gedanken macht man sich als Eltern, die kurz vor oder gerade in einer Trennung stehen. Aber Trennung = Trauma? Nein, das kann man nicht automatisch behaupten. Trennung kann in der richtigen Minute auch ein rettender Traum sein. Das bedeutet nämlich auf gar keinen Fall, dass Familien auf eine harte Weise auseinanderbrechen. Wie eine Patchwork-Familie funktionieren und sogar bereichern können, sowohl die Partner als auch die Kinder.
Patchwork Familie: Am dritthäufigsten in deutschen Familien
Eine Patchwork Family (wörtlich Englisch für “Flicken-Familie”) ist eine Form der Familie oder Hausgemeinschaft, in der mindestens ein Kind unter 18 Jahren, das von einem oder gar je beiden Elternteilen einer vorhergegangenen Partnerschaft in eine neue mitgenommen und integriert worden ist. 13,7 Prozent der Haushalte in Deutschlands leben als Patchwork Familie. Somit ist es die dritthäufigste Familienform vor der sogenannten ungeschiedenen “Kernfamilie” und Alleinerziehenden (17 Prozent, Stand: 2017).
Damit eine Patchwork Familie zusammenarbeiten kann, zählt, dass sich jedes Mitglied voll und verantwortlich einbringt und im Gegenzug auch voll- und gleichgewertet und nicht benachteiligt wird. Wie das aussehen kann: Ein Überblick.
Patchwork Familie: Eltern (Teil 1)
Hilfe! Mein Kind ist ein Scheidungskind!
Eltern tragen die größte Verantwortung und spielen die Hautrolle, wenn es darum geht, eine Patchwork-Familie zum Erfolg zu führen. Man betrachte einmal das Elternteil, das eine neue Patchwork-Familie gründet und einmal das andere Elternteil, das von der neuen Patchwork Familie abgegrenzt wird und somit zur “ehemaligen” gehört. Betrachte man zuerst das Erstere.
Viele Eltern sorgen sich bei einer Trennung am ersten und allermeisten um ihre Kinder. Wie werden sie es verkraften? Ihre Familie zerbricht! Doch Familie ist kein Patentrezept für eine glückliche Kindheit. Heile Beziehungen sind es. Und die kann man in einer Patchwork-Familie auch knüpfen.
Patchwork Familie: Was die Kinder brauchen
- Versorgung: Grundsätzlich ist, dass Kinder und das ist allgemeingültig, gut versorgt sein müssen. Essen, Kleidung, Aufmerksamkeit.
- Geborgenheit: Man muss ihnen ein Geborgenheitsgefühl vermitteln. Auch, wenn sich Situationen und Familien ändern, man ist immer für sie da.
- Zeit: Kinder brauchen Zeit. Zeit, um auf die neuen Umstände ein- und umzugehen und Zeit, um beide Elternteile aufrechtzuerhalten. Mutter und Vater sollten also gemeinsam daran arbeiten, dass regelmäßige Wochenenden und Zeit mit dem anderen Partner ausreichend und angemessen eingeplant ist. Nur so kann die Bindung zu den beiden wichtigsten Bezugspersonen der Kinder ausgebildet und für die Ewigkeit gestärkt werden. So ist es fair für jeden.
Patchwork Familie: Ein Wechsel der Perspektive
Um den Kindesbedürfnissen gerecht zu werden und auf sie in einer Patchwork Familie richtig eingehen zu können, ist es wichtig, dass besonders die Eltern ab und zu die Perspektive wechseln und die der Kinder einnehmen.
Fragen können sein:
- Was ändern sich für sie?
- Wie kann ich ihnen helfen?
- Wie fühlen sie sich?
- Wie kann ich es für sie angenehm und erträglich und glücklich machen?
Gut ist auch, sich gelegentlich Tipps und Meinungen von anderen und Außenstehenden zu holen. Das können beste Freunde sein oder auch Experten, wie Familien-Coaches und Kinderpsychologen. Es heißt: Ein “Netz für Unterstützung bauen, das sie [die Eltern]und ihre Kinder schützt”, rät Autorin und Familienberaterin Monika Czernin. Das gelte für Kinder jeden Alters. Kinder müssen Elternliebe erfahren. Nämlich, dass Eltern immer für sie da sind und sie nie verlassen würden.
Video: Meine, deine, unsere Kinder – Herausforderung Patchworkfamilie
Patchwork Familie: Gegenseitiger Respekt
Die Beziehung zu beiden Eltern muss und sollte in einer erfolgreichen Patchwork-Familie bestehen bleiben. Das bedeutet vor allem für die geschiedenen Eltern: Dem Kinderwohl zuliebe zusammenarbeiten.
Streit sollte so gut wie möglich vermieden oder unter allen Umständen vor den Kindern verborgen werden. Wenn es doch nicht vermieden werden kann, sollte man einen ruhigen, ungestörten Ort fern der Kinder finden. Denn: “Kinder können sich von Streit nicht emotional abgrenzen”, sagt Monika Czernin. “Sie denken immer, dass sie selbst Schuld haben und nicht mehr geliebt werden.” Dem kann gegenseitiger Respekt und Rücksicht entgegenwirken. Konflikte sollten “konstruktiv” gelöst werden, meint auch Kinderarzt und Autor Remo Largo. Die Partner sollten sich nie gegenseitig bei den Kindern ausspielen. Sobald der eine den anderen schlecht redet, beleidigt er zugleich auch einen Teil der Kinder. Und das lässt sie emotional verwaisen. Stattdessen: Kommunikation und Vertrauen!
Patchwork Familie: Was der neue Partner tun kann
Dass leben in einer Patchwork-Familie auch für die neuen Partner eine Herausforderung sein kann, wird oft unterschätzt. Schließlich ist es auch für sie eine neue Situation und Umstellung. Es braucht Zeit, bis auch sie ihren Platz gefunden haben, und den Grad meistern: Eine Balance zwischen Toleranz und Distanz.
Vor allem am Anfang der neuen Beziehung müssen sie geduldig sein. Sowohl gegenüber dem Lebensgewährten als auch seinen Kindern. Es kann auch sein, dass er sich zuerst mit der Rolle des fünften Rads zufrieden geben muss, um sich das Vertrauen bei Kindern und Elternteil stückweise zu erarbeiten.
Auf der anderen Seite sollte der neue Partner auch eine Grenze ziehen können. “Lisa liebte mich von Anfang an viel mehr als ihren leiblichen Vater, zu dem sie keine gute Beziehung hat”, erzählt Thorsten H. “Das darf aber nicht zu weit gehen. Als sie mich bat, sie zu adoptieren, hab ich das verneint.”
Patchwork-Familie: Ein Balance-Akt
Der Grund: Mutter und Vater bleiben immer Mutter und Vater der Kinder und sollten von den Kindern selbst auch immer als solche akzeptiert bleiben. Sie bleiben immer ein Teil. H.: “Das muss der neue Partner einfach akzeptieren, in jedem Fall, und so habe ich damit meinen Frieden gefunden und Lisa auch”.
Als neuer Partner sollte man keine Hoffnungen oder Erwartungen wegen der Beziehungsentwicklung zu den Kindern haben. Thorsten H. empfiehlt: “Geduld haben! Sie werden von sich aus kommen, wenn sie dazu bereit sind.” Monika Czernin ergänzt: “Kinder merken, wie ernst es Erwachsene mit Beziehungsangeboten meinen.” Geschenke und gespieltes Interesse ist der falsche Weg. Man sollte den Kindern und Elternteil aus bloßem Gefallen nichts vormachen und nicht nur oberflächlich den Kindern regelrecht interessiert aufdrängen. Ein Modell kann helfen. Besonders, wenn der neue Partner selbst eigene Kinder in die Beziehung bringt.
Patchwork-Familie: Stufenweise zum Erfolg
Wie man als Patchwork-Familie richtig beginnen kann, zeigt dieses Stufenmodell nach Monika Czernin. Achtung: Beachten werden sollte, dass dieser Prozess seine Zeit braucht.
Patchwork-Familie: Über die Kinder (K-Grundsatz)
Geduld und Zeit geben, das sollte man auch Kindern. Besonders den Kindern unter sich. Neue Stiefgeschwister sollten vorerst Gelegenheit haben, sich “beschnuppern” zu können. Wenn möglich sollte man sie nicht direkt in einem Zimmer wohnen lassen, wenn sie das nicht möchten und wenn die Möglichkeit einer anderen Lösung besteht. Umgekehrt sollten sie den Eltern aber auch ihre Zeit und Freiraum lassen. Wie man das schafft? Klarheit und kommunizieren!
Offene Gespräche sind essentiell, damit eine Patchwork-Familie gut funktionieren kann. Kinder sehen den neuen Partner häufig als “Bedrohung”. Sie fürchten, er würde ihnen den Papa oder die Mama wegnehmen. Umgekehrt müssen sie aber auch lernen, die neue Situation zu akzeptieren und die Bedürfnisse ebenso ernst zu nehmen, wie die Eltern ihre Wünsche beachten sollten. Der goldene Tipp fasst sich im K-Grundsatz zusammen: Um Kinder in Patchwork-Familien glücklich zu machen, braucht es Klarheit und Kommunikation.
Patchwork-Familie: Für einander da sein
“Berührung hat weniger Nebenwirkung und kann hilfreicher sein, als Schmerzmittel”, sagt Werner Bartens in der Süddeutschen Zeitung. Berührungen, etwa eine simple Umarmung kann Wunder bewirken und ist bedeutend für ein glückliches Zusammenleben als Patchwork-Familie. Gerade in Zeiten der Trauer. Und die werden kommen, das ist OK. Kinder fragen sich, warum nicht wieder alles so sein kann, wie früher, als eine Familie. Dann gilt es, zuzuhören und die Tränen ernst zu nehmen und die Situation so einfach und anschaulich wie möglich zu erklären.
Patchwork-Familie: Zum guten Schluss…
… beziehungsweise guten Anfang ist das eine kleine Sammlung von Tipps und Methoden. Sie sind kein Patentrezept und passen vielleicht nicht zu jeder Familie, können aber Richtung weisen. Zu jeder Familie, auch Patchwork-Familie, zählen alltägliche kleine Komplikationen, das ist normal. Wenn es aber größere Baustellen gibt, etwa ein Partner die Trennung nicht akzeptiert oder die Kinder auf Dauer nicht mit dem neuen Lebensgefährten zurechtkommen, sollte man professionellen Rat hinzuziehen. Auch, wenn Coaches, Familienberater und Kinderpsychologen erst abschreckend wirken, können sie eine wichtige, helfende Hand sein.
Denn: Ein Neuanfang in einer Patchwork-Familie ist für alle Beteiligten erst befremdlich, ungewohnt und anders. Doch Andersartigkeit und ein Wechsel der Perspektiven bringen immer eines: Neue Chancen. Zusammen mit Hilfe sind die leichter gegeben. Weiter Informationen und Anregungen kann etwa der Kinderschutzbund geben. Dort kann man auch professionell überwachte Familientreffen anfragen: http://www.dksb.de/
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