Alltagsintegrierte Sprachbildung: die Fähigkeit zu sprechen und sich auszudrücken und mit anderen Menschen zu kommunizieren, ist eine wesentliche Grundvoraussetzung, damit Kinder sich später einen Platz im beruflichen und familiären Leben sichern können.
Sprachbildung im Alltag ist nötig
Fachleute schätzen, dass Vorschulkinder heute in durchschnittlichen Familien pro Tag nur noch 10 – 12 Minuten zusammenhängende Originalsprache hören. In der Hektik des Alltags geht in vielen Familien die Kommunikation während der Mahlzeiten, das abendliche Vorlesen oder Singen vor dem Einschlafen der Kinder verloren, während Fernseher, CD-Player oder Spielekonsolen für viele Kinder zunehmend einen hohen Stellenwert haben. Kinder erleben in der Familie Sprache häufig mehr durch Medien als durch die gesprochene Originalsprache ihrer Eltern und Geschwister.
Welchen Einfluss haben Handys auf die Sprachentwicklung junger Kinder?
Smartphones und Handys tragen nicht zur Sprachbildung und Sprachentwicklung junger Kinder bei, sie wirken sich eher kontraproduktiv aus, da die Kinder nicht direkt angesprochen werden. Die Psychologin und Professorin für Lehr-Lern-Forschung Elsbeth Stern kritisiert in einem Artikel der Zeitschrift „Eltern“, März 2010 Dauertelefonate mit Handys in Gegenwart von Babys und Kleinkindern. Obwohl die vertraute Stimme von Papa und Mama zunächst aufhorchen lässt, müssen sie erkennen, dass die Eltern sie beim Telefonieren überhaupt nicht anschauen, sie begleiten ihre Worte nicht mit Gesten, reden unverbindlich und abgehackt und dabei ist der Mund oft noch halb verdeckt. Telefonieren in Gegenwart von Babys und Kleinkindern schließt die Kinder aus der Kommunikation aus, es entsteht Langeweile und schon sehr früh möglicherweise ein Desinteresse an Sprache.
Welche Voraussetzungen sind für die Sprachbildung und Sprachentwicklung der Kinder notwendig?
So einfach und banal es klingt: Die wichtigste Voraussetzung für Sprachbildung und Sprachentwicklung ist, dass mit den Kinder gesprochen wird. Je jünger Kinder sind, umso mehr brauchen sie die direkte Ansprache, den Blickkontakt und die Möglichkeit, die Mundmotorik der Erwachsenen zu beobachten, um in die Sprache zu kommen. Sprachbildung kann nur im unmittelbaren Kontakt der Kinder zu ihren Bezugspersonen und durch den Aufbau von Bindung und Beziehung in der direkten Kommunikation mit dem Kind stattfinden.
Sprachbildung fördern durch unmittelbare Sinneserfahrungen
Fast ebenso wichtig sind Erfahrungsmöglichkeiten, die Kinder über alle ihre Sinne machen können. Sehen, Hören, Fühlen, Tasten, Riechen und Schmecken sind Grundvoraussetzungen dafür, dass Kinder Begriffe mit Inhalt füllen lernen. Wie könnte man beispielsweise den Begriff „salzig“ verstehen, wenn man nicht schon einmal Salz auf der Zunge geschmeckt hätte? Je mehr Sinne beim Lernen beteiligt sind, umso umfangreicher kann der Wortschatz aufgebaut werden. Alltagsintegrierte Sprachbildung und Sprachförderung bedeutet also, Kindern vielfältige und unmittelbare Sinneserfahrungen zu ermöglichen.
Motorische Fähigkeiten zu entwickeln, fördert die Sprachbildung
Möglichkeiten, motorische Fähigkeiten zu entwickeln, sich auszutoben, zu klettern, zu springen, zu balancieren hängen eng mit der Sprachbildung und der Sprachentwicklung zusammen. Kinder, die in der Motorik Schwierigkeiten haben sind in der Regel auch in der Sprachentwicklung zurück. Ebenso entscheidet die Art und Weise, wie Kinder angesprochen werden, ob ihnen zugehört wird und ob sie sich wahrgenommen fühlen, darüber, ob sie sich gerne sprachlich äußern und mit anderen Menschen kommunizieren wollen.
Welche Verantwortung hat die Kita für die Sprachbildung und Sprachentwicklung der Kinder?
Neben den Eltern sind zunehmend auch die Kitas in der Verantwortung für die Sprachbildung der Kinder. Durch das immer frühere Eintrittsalter der Kinder in die Kita und die oft lange Verweildauer am Tag in den Einrichtungen, finden Sprachentwicklung und Sprachbildung heute zu einem großen Teil in der Kita statt.
Mit den Kindern sprechen, Einbeziehung der Eltern
Für die Kita gilt genauso wie für das Elternhaus, dass Sprachbildung nur dann stattfinden kann, wenn mit den Kindern gesprochen wird. Es ist für die pädagogischen Fachkräfte wichtig, sich einmal die Frage zu stellen, wie viel Sprache Kinder am Tag in der Kita hören, ohne direkt gemeint zu sein.
Je jünger das Eintrittsalter der Kinder in die Kita, umso mehr brauchen die Jüngsten die persönliche Ansprache durch die Erzieherinnen und den Aufbau von vertrauensvollen Bindungen und Beziehungen. Eine gute Eingewöhnung unter Einbeziehung der Eltern ist deshalb eine wichtige Bedingung für die Sprachförderarbeit in der Kita. Gute Rahmenbedingungen (ausreichendes und gut qualifiziertes Personal und kleine Gruppen) sind notwendige Voraussetzungen.
Die Raumgestaltung soll Sinneswahrnehmungen fördern
Auch das Raumangebot und die Gestaltung der Räume unter dem Gesichtspunkt „Sinneswahrnehmung“ tragen zur Sprachbildung der Kinder bei. Je mehr die Räume und das Außengelände der Kita die Kinder zum Experimentierfreude wecken, zu Sinneserfahrungen einladen und Gelegenheit bieten, sich auf unterschiedliche Art zu bewegen, umso leichter kommen Kinder in die Sprache und entwickeln einen umfangreichen Wortschatz.
Eine wertschätzende Haltung der Erzieherinnen zu den Kindern macht Kindern Mut, sich sprachlich zu äußern, die eigene Befindlichkeit zum Ausdruck zu bringen und im Laufe der Zeit empathisch auf andere eingehen zu lernen. Ebenso wichtig ist die Kommunikation unter den Kindern, der Austausch gemeinsamer Spielideen und die Gespräche beim Essen oder die Einschlafgeschichte vor dem Mittagsschlaf.
Wie können Elternhaus und Kita die Kinder beim Schriftspracherwerb unterstützen?
In der frühen Kindheit werden nicht nur die Voraussetzungen für Sprachentwicklung und Sprachbildung geschaffen, sondern auch für den Schriftspracherwerb, indem Kinder die Möglichkeit erhalten, ein Gefühl für Sprache und Sprachrhythmus zu entwickeln. Die alten Kniereiterspiele, Kreisspiele, Singspiele, Reime, Gedichte, Klatschspiele leisten hierzu einen wichtigen Beitrag.
Elternhaus und Kita können hier von Anfang an Hand in Hand arbeiten und dem Kind viele sprachliche Impulse vermitteln, die sich später auf den Schriftspracherwerb positiv auswirken. Anlaute, Silben und Reime können schon sehr früh mit Freude und Spaß für die Kinder erfahrbar gemacht werden, wecken Lust und Spaß an Sprache und laden die Kinder zum Experimentieren mit Sprache ein. Ebenso können Bilderbücher Motivation wecken, sich mit Schriftsprache zu beschäftigen und Freude am Lesen und Schreiben entwickeln. Sprachförderprogramme haben sicher ihren Stellenwert, sind aber eher Notfallprogramme, die bei Bedarf zusätzlich eingesetzt werden können, die tägliche Kommunikation und das gemeinsame Spiel aber nicht ersetzen können.
Welche Hilfen für eine gelungene Sprachbildung und Sprachförderung gibt es für Eltern und Erzieherinnen?
Das Buch „Sprachförderung in der Kita/ganzheitlich-individuell- integrativ“ aus dem Verlag Herder bietet Eltern und pädagogischen Fachkräften nach einer kurzen Einführung sehr viele Hilfen und praktische Anregungen. Es macht bewusst, wieviel wertvolle Sprachförderarbeit bereits in den Kitas stattfindet und vermittelt darüber hinaus viele neue Ideen für eine erfolgreiche Sprachförderung und Sprachbildung in Elternhaus und Kita. Dieses Buch ist auch für Eltern mit Migrationshintergrund und Einrichtungen mit Kindern aus anderen Kulturkreisen zu empfehlen. Der Einfluss moderner Medien auf Sprachbildung und Sprachentwicklung wird ebenso besprochen wie Methoden der Sprachbeobachtung und logopädische Auffälligkeiten von Kindern. Neben vielen Möglichkeiten alltagsintegrierter Sprachförderung werden auch Möglichkeiten zur gezielten Sprachförderung in der Kita in Kleingruppen und in der Einzelförderung besprochen.
Welche Fragen beantwortet das Buch von Monika Bröder?
- Was können Erzieherinnen in der Kita und Eltern im Alltag tun, um Sprachbildung und Sprachentwicklung der Kinder zu unterstützen?
- Wie können sie die notwendigen Voraussetzungen schaffen, damit Kinder gerne sprechen und Freude an der Sprache entwickeln?
- Wie können Sprechfreude und Sprachmotivation geweckt werden?
- Wie können Kinder auch mit Migrationshintergrund konkret unterstützt werden, damit sie einen umfangreichen Wortschatz und Grammatik entwickeln, sich ausdrücken und selbstbewusst und empathisch mit anderen Menschen kommunizieren lernen?
- Wie kann man mit Schwierigkeiten der Kinder beim Spracherwerb umgehen?
Wohin kann man sich wenden? - Was können Elternhaus und Kita dazu beitragen, damit Kinder Interesse an Schriftsprache entwickeln und die notwendigen Voraussetzungen für das Lesen- und Schreibenlernen in der Schule entwickeln?
Was zeichnet das Buch methodisch aus?
Das Buch ist übersichtlich gegliedert und kann daher je nach Interesse auch nach einzelnen Kapiteln und nicht unbedingt von Anfang bis zum Ende gelesen werden. Bilder illustrieren unterhaltsam und anschaulich die Inhalte. Da die Zusammenarbeit von Elternhaus und Kita unabdingbare Voraussetzung für die Sprachbildung und Sprachentwicklung der Kinder ist, sind am Ende jedes Kapitels im Abschnitt „Mit Eltern im Dialog“ zentrale Inhalte zur Zusammenarbeit von Elternhaus und Kita – jeweils bezogen auf ein spezielles Thema- zusammengefasst. Das Buch ist leicht zu lesen und gut in die Praxis umzusetzen.
Ein Buch, das nicht nur für Erzieherinnen, sondern auch für Eltern sehr erhellend, informativ und durch die vielen Beispiele leicht verständlich und gut in die tägliche Praxis der Kita und ins Familienleben übertragbar ist.
Wo kann man das Buch bestellen?
Das Buch kann bequem über Amazon online gekauft werden, ist aber auch in jeder Buchhandlung erhältlich.