Barfuß laufen wird von vielen Medizinern empfohlen. Und das zu Recht. Wieso die Rückkehr zur natürlichen Bewegung sinnvoll ist und was (falsche) Schuhe anrichten können.
Barfuß laufen: Was wir unseren Füßen zumuten
Spitze und enge Sneakers, High-Heels, Flip-Flops oder Hausschuhe, die keinen Halt bieten: Was wir uns unseren Füßen und damit unserem Körper über viele Jahrzehnte zumuten ist fatal. Es ist das Gegenteil von dem, was für unsere Vorfahren ganz normal und vor allem gesünder war, Barfuß laufen. Der Mensch ist viele Jahrtausende ohne Schuhe gegangen. Die Evolution sah nicht vor, dass wir unsere Füße ein Leben lang in verschiedene Schuhwerke pressen.
Eine erschreckende Zahl:
Nach Angaben von Wissenschaftlern der Orthopädischen Universitätsklinik Tübingen, haben fast 25 Prozent der Menschen zwischen 18 und 65 Jahren einen sog. Hallux valgus, eine Ballenzehe. Bei dieser Fußfehlstellung (einer der häufigsten überhaupt) ist der große Zeh schief bzw. verkrümmt. Frauen, die oft zu High-Heels greifen, sind besonders betroffen. Begünstigt wird sie durch drei Faktoren:
- erbliche Vorbelastung
- Übergewicht
und in erster Linie - die falschen Schuhe
Von Kleinkindern lernen: Barfuß laufen ist natürlich
Der Hallux vulgas ist allerdings nur die Spitze des Eisbergs. Bis zum Erwachsenenalter kommt es nämlich bei rund 60 Prozent der Menschen zu den verschiedensten Fuß- und Haltungsschäden: ob Hohl-, Platt-, Senk- oder Spreizfuß. Ob Sehnen-, Muskel- oder Rückenbeschwerden, die auf das falsche Schuhwerk zurückzuführen sind. Dabei kommen 98 Prozent aller Menschen mit gesunden Füßen zur Welt.
Erst im Laufe der Zeit kommt es, meist durch die falschen Schuhe, zu den genannten Beschwerden. Wir sollten uns ein Beispiel an Kleinkindern nehmen. Denn diese machen rein instinktiv alles richtig. Ihre Abwehrhaltung beim Schuhe anziehe ist natürlich und quasi evolutionär bedingt.
Sie kehren ganz automatisch zur natürlichen Bewegung des Menschen zurück, dem Barfuß laufen. Ginge es nach den Kindern, würden sie die ganze Zeit über Barfußlaufen und sich pudelwohl fühlen. Was medizinisch betrachtet sehr zu empfehlen wäre. Denn für Füße gibt es kaum etwas Wohltuenderes als das Barfußlaufen.
Falsches Schuhwerk kann Gesundheit massiv schädigen
Zehen brauchen für eine gesunde Entwicklung Platz. Nichts ist schädlicher als Schuhwerk das einengt. Die Enge kann auf die lange Sicht zu problematischen Langzeitfolgen führen. Bedenklich ist besonders, wenn schon Kinder viel zu kleine, beengte Schuhe tragen und so die Beweglichkeit eingeschränkt wird. Denn werden die Füße immer wieder zusammengestaucht, erhöht sich die Wahrscheinlichkeit einer dieser Fehlstellungen:
- Spreizfuß
- Schiefzehen (auch als Krallen- oder Hammerzehen bekannt)
Wichtig zu wissen:
Sowohl zu kleine als auch zu große Schuhe können zu massiven Schäden führen. Sind sie zu groß, fehlt es den Füßen entsprechend an Halt und dem Körper damit an Stabilität. Mögliche Folgen sind Zwangshaltungen sowie veränderte Lauf- und Gangbewegungen. Die ungünstigen Bewegungsabläufe erhöhen wiederum die Gefahr von Knie- und Hüftgelenksschäden.
Barfuß laufen: Elterliches Kaufverhalten schadet den Füßen
Heute neigen übrigens viele Eltern dazu, die Schuhe ihrer Kinder gleich ein oder zwei Nummern größer zu kaufen („Sie wachsen da schon hinein“). Früher ging es eher in die andere Richtung: Um Geld zu sparen, ließ man den Nachwuchs oft in zu kleinen Schuhen herumlaufen.
Natürlich: Kinderfüße wachsen schubweise und derart schnell, dass man mit dem Nachkaufen neuer Schuhe kaum hinter kommt. Sie wachsen ca. einen Millimeter pro Monat, das sind zwei bis drei Schuhgrößen im Jahr. Bei Schulkindern sind es immer noch ein bis zwei Größen jährlich. Das geht ins Geld, klar, allerdings muss die Gesundheit des Kindes immer Vorrang haben.
Um möglichen Langzeitfolgen durch falsches Schuhwerk vorzubeugen können Eltern regelmäßig prüfen, ob die Füße gewachsen sind:
- Bei 1- bis 3-jährigen sollte dies alle sechs bis acht Wochen,
- bei 3- bis 6-jährigen ca. alle fünf Monate gecheckt werden.
Darüber hinaus sollte man sein Kind so oft es geht Barfuß laufen lassen. Es ist die beste Vorsorge gegen Senkfuß, Spreizfuß und Co.
Positive Wirkung auf die Fußmuskulatur
Barfuß laufen bringt nur Vorteile. Nicht nur für die Füße sondern langfristig für den gesamten Körper. Und damit für das allgemeine Wohlbefinden. Es
- stärkt und trainiert die Muskeln von Zehen und Fußmuskulatur
- hält Sehen und Bänder elastisch
- stimuliert die Fußreflexzonen
Das Barfußlaufen mag sich dabei für den ein oder anderen zunächst sehr ungewohnt und unnatürlich anfühlen. Kein Wunder. Denn in unserer westlichen Welt gehören Schuhe einfach dazu. Sie sind selbstverständlich. Jeder trägt sie, immer und überall. Wir haben es im Laufe der Jahrtausende schlicht auch ein Stück weit verlernt, Barfuß zu laufen und uns damit gut und selbstbewusst zu fühlen.
Verwunderte Blicke sind demjenigen garantiert, der sich traut in aller Öffentlichkeit (z.B. in der Innenstadt) Barfuß zu laufen. Doch nicht nur für andere ist der Blick auf eine Person, die „unten ohne“ herumläuft, ungewohnt.
Tatsächlich müssen sich ebenso die Füße erst neu an die wechselnden Unebenheiten im Boden gewöhnen und anpassen. Schließlich fehlt nun die schützende Schuhsohle. Doch gerade das wirkt sich positiv auf die Muskeln auf. Denn die wechselnden Untergründe (von Pflasterstein über Kies bis hin zu Sand und Gras) stärken die Fußmuskulatur und die Knochen.
Außerdem werden die Koordination und das Gleichgewichtsempfinden gestärkt. Gerade für Kinder wichtig, da so ihr Gang sicherer wird.
Schon Kneipp wusste: „unten ohne“ hilft bei Erkältung
Durch die Stimulation der Fußreflexzonen wird zudem die Durchblutung gefördert. Die Folge: der Körper setzt mehr Wärme frei und stärkt somit die Abwehrkräfte. Das erkannte schon der bekannte Naturheilkundler Sebastian Kneipp. Er ließ seine Patienten im Rahmen seiner Therapie u.a. auf nassen und kalten Böden barfußlaufen.
Zur Stärkung des Immunsystems und als wirksame Methode, um Erkältungen vorzubeugen oder zu bekämpfen. Ein wichtiges Element vieler Ansätze und Therapien der „Kneippschen“ Medizin ist auch heute noch das Tautreten. Also das Barfußgehen über taufrisches Gras, am besten gleich nach dem Aufstehen.
Wer das regelmäßig gemacht und sich an den kalten Untergrund gewöhnt hat, kann noch eins drauf setzen und als nächstes Barfuß im Schnee laufen. Es reichen fünf bis zehn Sekunden, um den Kreislauf ordentlich anzukurbeln. Wichtig: um ein Auskühlen zu vermeiden, sollte man nach dem Tautreten trockene, warme Socken anziehen.
Video: Kneipp: Kaltes Wasser schützt vor Infekten | Visite | NDR
Barfußlaufen als sinnliches Erlebnis
Kindern, die bisher nur selten Barfuß umherlaufen durften, wird sich eine bislang unbekannte sinnliche Welt erschließen. „Sinnlich“ im wahrsten Sinne. Denn es spürt zum ersten Mal direkt den Untergrund und die Böden, auf denen es sich bewegt.
Nicht nur die Hände und Finger sondern auch die Füße eignen sich ganz wunderbar, um die Umwelt zu erkunden und zu ertasten: Auf Wiesen, Asphalt, im Sand, auf Kieswegen, Steinen oder im Matsch (das lieben Kinder besonders). Dabei stellt sich für die Kleinsten auch ein toller Lerneffekt ein. Sie erfahren, wann Böden hart, wann weich sind. Und wann der Untergrund gerade verläuft, wann uneben und wann es „gefährlich“ wird und die Füße nur schwer Halt finden.
Die Empfehlung, so oft es geht „unten ohne“ zu laufen, gilt natürlich ebenso für die Erwachsenen. Doch wie baut man das Barfuß laufen sinnvoll in einen hektischen, stressigen Alltag ein?
Barfuß laufen sinnvoll in einen hektischen, stressigen Alltag ein?
Tipps für den Alltag
Am besten fängt man damit an, zunächst zuhause immer öfter Barfuß zu laufen. Ob mit oder ohne Socken, egal. So gewöhnt man Knochen, Bänder und Sehen langsam an diese „neue Art der Fortbewegung“. Gerade wenn sich die Muskeln im Laufe der Jahre zurückgebildet oder verformt haben, durch falsches Schuhwerk etwa.
Die nächsten Schritte bzw. weitere Tipps:
- Bald damit anfangen, bewusst an der frischen Luft die Schuhe auszuziehen, z.B. im Park oder beim entspannten Waldspaziergang. So gewöhnt man sich auch allmählich daran, die Scham vor anderen Menschen abzulegen
- Auch auf der Arbeit gerne mal raus aus den Schuhen. Oder die Mittagspause an der frischen Luft im Park verbringen und dort Barfuß ein wenig umherlaufen. Das beugt nicht zuletzt der Müdigkeit vor
- Auch für Sport braucht es nicht unbedingt Schuhe. Viele Sportarten kann man ganz wunderbar Barfuß betreiben, z.B. Jogging, Volleyball, Fahrrad fahren oder Tanzen
Eine ganz tolle Möglichkeit, um in die Welt des Barfußlaufens einzutauchen sind übrigens Barfußparks oder -pfade. Sie gibt es in vielen Städten und Region und gerade Kinder werden ihren Spaß haben. Es gibt dort z.B. Fühlstrecken mit verschiedenem Material, Fußgymnastik- und Balancierstationen und manchmal sogar Kneipp-Becken. Ein außergewöhnliches Erlebnis für die Sinne.
Bildnachweis:© Shutterstock – Titelbild: MelashaCat – #01: Kaspars Grinvalds – #02: Elle1 – #03: Dmytro Vietrov – #04: CroMary